Über unsere Dreiecksbeziehung
- susiecidoll
- 13. Mai 2020
- 5 Min. Lesezeit
Eine Beziehung besteht aus zwei Menschen, die entweder total gleich denken, komplett verschieden sind oder wie bei uns 50/50 ihrer Meinung ident oder eben komplett verschieden ist. Meiner Erfahrung nach sagt eine funktionierende Beziehung nicht unbedingt viel darüber aus, ob sie den Veränderungen mit Kind standhält. Ob sich ein Paar im ‘normalen’ Paar sein einig ist, sagt nichts darüber aus, ob sie auch im Familienleben miteinander harmonieren. Es gibt sicherlich Beziehungen, die perfekt ohne Kind, aber katastrophal mit Kind sind. Auch Lukas und ich hatten, als ich noch nicht schwanger war, unsere Meinungsverschiedenheiten und unsere Höhen und Tiefen. Es war auch bestimmt keine Bilderbuchbeziehung von der jeder träumt. Wir beide sind sehr temperamentvolle Persönlichkeiten, die an ihrer Meinung und an ihren Standpunkten festhalten und dass einer von uns seine Prioritäten für den anderen neu ordnet, erfordert sehr viel Zeit, Geduld und Überzeugungskraft. Man kann fast sagen, irgendwann findet man einen Kompromiss und man wechselt sich mit dem Nachgeben ab. In einer Beziehung, in der man an keinen Dritten denken muss, ist das Ganze auch halb so schlimm, man kann selber einschätzen, wie wichtig das jetzt wohl für den anderen ist und wie sehr man selber drauf verzichten könnte, seinen Willen nicht durchzusetzen. Aber wie ist das, sobald ein Kind unterwegs ist?
Eine Schwangerschaft und ein Kind bringen viele Entscheidungen mit sich und umso einfacher ist es natürlich, wenn man halbwegs gleich tickt. Von Vorteil ist bestimmt auch, wenn man aus relativ gleichen Familien- und Lebensverhältnissen kommt. Lukas, der jüngste von drei Söhnen, aufgewachsen in einem Wiener Randbezirk und mit einer abgeschlossenen Lehre. Und dann ich, zwischen einem großen Bruder und einer kleinen Schwester, großgezogen zwar auch von gebürtigen Wienern, aber dennoch am Land aufgewachsen, abgeschlossen mit einer Matura und mitten im Studium. (Ich möchte hier keine Bildungsunterschiede vorführen, lediglich Bildungs- und Arbeitsmoral widerspiegeln!) Kann das mit einem Kind gut gehen? Natürlich wollen wir beide nur das Beste für unser Kind. Das ist zwar das Wichtigste, bringt aber gleichzeitig die meisten Diskussionen. Wer entscheidet, was wirklich wichtig ist? Ich werde jetzt nicht aufzählen, wegen welcher Themen wir konkret diskutieren, aber auch ich habe gemerkt, dass sowohl Lukas als auch ich in vielen Situationen neu denken. Man geht mit sich selber eher Kompromisse ein, als ohne Kind, finde ich. Natürlich gibt es auch Themen, wo ganz große Streitigkeiten aufkommen, wo wir gar nicht auf einen Nenner kommen, aber auch da bin ich zuversichtlich, dass alles geregelt wird und sich Kompromisse finden lassen. Zusammengefasst würde ich behaupten, man wird in seinem Denken viel reifer, ist nicht mehr so eigensinnig, sondern denkt in erster Linie, was man für das Richtige für das Kind hält.
Es gibt aber auch Diskussionen, wo es für Lukas schwer war sich durchzusetzen. Frauenarztwahl. Wir wohnen momentan in Wien und wisst ihr, wie verdammt schwer es ist, hier einen Frauenarzt zu finden, wenn man ihn plötzlich regelmäßig braucht? Ich hatte einen am Land, in der Schwangerschaft jedoch ist es schwer. Bei Notfällen sollte der Arzt schnellstmöglich erreichbar sein. Ich wollte weiterhin am Land bleiben, in so einer Situation wollte ich einfach keine neuen Umstände. Der Frauenarzt war jedoch 45 Minuten Fahrt entfernt, auch blöd ohne Auto. Da habe ich dann zwar nachgegeben und hab gesagt ‘ok ich probiere das mal, aber wenn ich mich nicht wohl fühle, dann will ich wieder zurück’. Im Endeffekt hat es bei dem in Wien gepasst, hätte ich mich aber unwohl gefühlt, hätte es Lukas wohl oder übel akzeptieren müssen. Bei solchen Sachen kommt es auf das Wohlbefinden der Frau an! Genau die gleiche Diskussion gab es bei der Krankenhauswahl. Ich habe darauf bestanden, dass wir uns bei einem Krankenhaus melden, in dem ich selber schon behandelt wurde bzw. schon übernachtet habe. Da kamen genau zwei in Frage. Bei beiden hatte Lukas ein klares Nein ausgesprochen, nach meiner Argumentation aber hat auch er es akzeptieren müssen.
Man bekommt also ein Kind, alle Gedanken kreisen 24/7 eigentlich nur darum, wie man sich bestmöglich darauf vorbereitet und plant, wie man dem Kind ein wunderschönes Leben bieten kann. Vergisst man sich da nicht gegenseitig? Ehrlich? Ja. Ein bisschen zumindest. Das ist aber gar nicht so schlecht. Seit wir wissen, dass ich schwanger bin, streiten wir viel weniger über unnötige Dinge. Es wurde insgesamt viel ruhiger zwischen uns (bis auf kleine Ausritte dazwischen, wo wir nicht auf einen gemeinsamen Zweig kamen). Aber im Großen und Ganzen gibt es viel weniger Spannungen, man fängt viel mehr an zusammenzuarbeiten und da vergisst man nicht nur ein bisschen auf den anderen, sondern sogar auf sich selbst.
Nicht falsch verstehen, wir führen dennoch eine Beziehung und leben nicht nur noch für das Baby zusammen. Es gibt vermutlich viele Paare, die diese Grenze verpassen und in so einer Situation stecken bleiben und sich dem Kind gegenüber verpflichtet fühlen, aber eigentlich keine Beziehung mehr führen. Ich denke, sowas passiert auch ganz oft unbewusst. Ich kann euch aber versichern, dass es bei uns nicht der Fall ist. Lukas und ich nehmen uns oft genug die Zeit einfach nur für uns, Zeit in der das Baby mal nicht Gedanke #1 ist. Und wenn es nur ein gemeinsames Bad ist, noch eine halbe Stunde kuscheln, bevor Lukas in die Arbeit fährt oder an seinen freien Tagen das gemeinsame Frühstück, bzw., dass er zu frisch gekochtem Abendessen nach der Arbeit nach Hause kommt. Es sind so kleine, aber auch so verdammt wichtige Dinge, die man auf keinen Fall hintenanstellen darf. Kleine Aufmerksamkeiten, die hin und wieder einfach wichtig sind, um den anderen zu sagen ‘He, ich liebe dich und denke an dich’. Man sollte dem anderen nicht das Gefühl geben, als würden sich die eigenen Gedanken nur noch um den Nachwuchs drehen, da wird schnell einer unzufrieden sein und sich hintenangestellt fühlen.
Ich könnte mir auch mit keinem anderen vorstellen, ein Kind zu bekommen, bzw. dass es mit einem so klappen würde wie mit Lukas. Natürlich gibt es Männer, die zeugungsfähig sind und mich anbeten würden und zu allem Ja sagen. Das wäre auch für mich angenehmer und ich könnte in jedem Punkt meinen Willen durchsetzen. An der Beziehung mit Lukas liebe ich es, dass wir uns gegenseitig immer pushen, ein besserer Mensch zu werden, wir fordern uns gegenseitig, zwingen uns gegenseitig über den Tellerrand zu schauen und nicht alles so hinzunehmen wie es ist. Ich bin ein Mensch, der sehr lösungsorientiert ist und nie versucht, eine Situation zu ändern, sondern sich selber anpasst. Lukas ist das komplette Gegenteil, er versucht zuerst die Situation zu ändern und zieht dann erst mal in Erwägung, sich selber zu ändern. Wir können viel voneinander lernen, schaffen uns gemeinsam ein neues Weltbild, anstatt stur an dem eigenen festzuhalten und diese Herausforderung über sich selber hinaus zu wachsen macht meiner Meinung diese Beziehung so toll. Ich bin ein Mensch, ich will immer mehr. Mehr Wissen, mehr Erfahrung, einfach mehr von allem und da brauche ich jemanden an meiner Seite, der mich vor Herausforderungen stellt und mir nicht bei all meinen Entscheidungen ohne Kommentar folgt und tut was ich will. Auch wenn es mit viel Diskussion und Streit zusammenhängt. Ich finde wir bilden ein perfektes Duo, um ein Kind großzuziehen, dass verschiedenste Perspektiven kennenlernt und sich in dieser Welt problemlos zurechtfinden wird.
Zusammengefasst kann man sagen, dass uns die Schwangerschaft mehr oder weniger zwingt, sich selber und seine Denkweise weiterzuentwickeln. Jedoch ist das nur eines von vielen Leveln. Mal sehen, vor welche Herausforderungen uns es stellt, sobald der Zwerg da ist.
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